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Zweigstelle: Hauptstelle	Standorte: R 11	Standort 2:	Status: Entliehen	Frist: 25.04.2024

Einen programmatischen Titel hat Bodo Kirchhoff für seinen neuen Roman gewählt. Oder auch ein schönes Bild, könnte man freundlicher sagen. »Wo das Meer beginnt« ist in Kirchhoffs Buch der schwer zu ortende und so wichtige Ort, an dem sich Land und Meer miteinander so verbinden wie in der Gefühlswelt Liebe, Begehren und Gewalt.

Und an dem man wie auf dem offenen, mitunter extrem stürmischen Meer den Halt komplett verlieren kann.

 

Viktor Haberland hat das als Frankfurter Gymnasiast nach einer Probe des Schultheaters erst lustvoll, dann schmerzhaft mit seiner großen Liebe Tizia erfahren. Seine Partnerin aus dem »Sommernachtstraum« zeigt ihn nach einer erotischen Begegnung im Schulkeller wegen Vergewaltigung bei der Schulleitung an. Knapp zwölf Jahre später begegnen sich beide in Lissabon wieder: Tizia soll als Profi-Schauspielerin aus der Provinz bei einer von ihm für das Goethe-Institut organisierten Lesung Lyrik vortragen.

 

Von diesem Ausgangspunkt aus erzählt Kirchhoff raffiniert, elegant und spannend, aber oft auch auch eine Spur bemüht von Haberlands Anstrengungen zur Verortung der traumatischen Jugendliebe. Raffiniert lässt er dabei den alten Lehrer Branziger vom Beichtvater des Ex- Pennälers zur gleichberechtigten Hauptfigur werden - mit eigenen und ganz anderen Irrfahrten auf dem Meer der erotischen Anziehung. Elegant, wie Kirchhoff mehrere Liebesgeschichten ohne Schwierigkeiten miteinander verwebt und den Spannungsbogen bis zum dramatischen Ende des Romans zu halten vermag.

 

Bemüht wirkt die Konstruktion von zeitlichen und geographischen Spannungsbögen etwa dort, wo Kirchhoff den ersten Golfkrieg erwähnt, der zur Zeit der folgenschweren Schultheaterprobe ausgetragen wird. Als sich Viktor und Tizia in Lissabon wiedertreffen sollen, steht auch ein neuer »Showdown in Bagdad« an. Als Hintergrund präsentierte Gegensätze zwischen Lissabon und Frankfurt bleiben leicht klischeehaft. Aber vielleicht ist es ja tatsächlich an Portugals Atlantikküste leichter, den Schritt vom sicheren Land auf das gefährliche, offene und manchmal überwältigend schöne Meer des Eros zu wagen als am sauber begradigten Mainufer.

 

Quelle: ©dpa (07.10.2004)