Wer hätte gedacht, dass der letzte Film des französischen Meisterregisseurs Robert Bresson (1901-1999) heute eine größere Aktualität, Brisanz und Dringlichkeit hat als je zuvor?
Anfang der 1970er-Jahre. Charles, ein junger Mann im modernen Paris, hält angesichts der immer intensiveren Zerstörung der Erde im Namen des Fortschritts und angesichts der Kommunikationsunfähigkeit der Menschen ein menschenwürdiges Leben nicht mehr für möglich. Er fällt in eine tiefe Depression. Nach einer gescheiterten Beziehung mit Alberte wendet er sich Edwige zu. Doch auch diese Partnerschaft ist sehr unbefriedigend für ihn. Deshalb sucht er einen Psychoanalytiker auf, der ihm spöttisch rät, sich bei einem eventuellen Freitod doch helfen zu lassen...
Der renommierte Filmkritiker Peter W. Jansen schrieb: „Die Dokumente der Zerstörung, die den Film durchziehen, die chemische Vernichtung von Pflanzen und Tieren, der Massenmord an den Robben, die Vergiftung der Meere und der Luft, das Abholzen eines ganzen Waldes, eine Diskussion um den Bau von Kernkraftwerken; und während ein Wissenschaftler besänftigende Artworten gibt, sind polemisch Bilder von Atompilzen eingeschnitten – das alles, oft körnig und grob gerastert in der Bildstruktur, gibt dem Film, überraschend für Bresson, essayistischen Charakter. Er steht nicht an, so scheint es, in einer selbst schon verzweifelten Antwort auf den verzweiflungsvollen Zustand der Welt, in der die Mißstände verwaltet statt aufgehoben werden, er steht nicht an, seine Filmsprache bis an die Selbstzerstörung heranzuführen.
In einer Welt der hemmungslosen Verschmutzung, Zerstörung und Zertrümmerung, vorgeführt in den Projektionen filmischer Dokumente, die noch dazu verfremdet sind, in einer solchen Welt wirken die aseptischen Bilder der Bressonschen Kamera nicht mehr nur reinigend von Schmutz des üblichen Kinos. Diese Filmsprache, die sich beharrlich weigert, neben den Einzelheiten das üppig Ganze, und sei es aus den Augenwinkeln, wahrzunehmen, scheint selbst schon in Auflösung begriffen, reduziert und zerstört." (DIE ZEIT, Nr. 41/1978)
François Truffaut schrieb zum Kinostart Mitte 1977 im Wochenblatt „Pariscope“: „In einem Film von Bresson geht es weniger um das Zeigen als um das Verbergen. Die Ökologie, die moderne Kirche, Drogen, Psychiatrie oder Suizid? Nein, darin besteht nicht das Thema von 'Der Teufel möglicherweise'. Sein eigentliches Thema ist die Intelligenz, die Ernsthaftigkeit und die Schönheit der heutigen Heranwachsenden, insbesondere die von vier unter ihnen, von denen man mit Cocteau sagen könnte, dass 'die Luft, die sie atmen, leichter ist als Luft'."
Regisseur Olivier Assayas nahm "Der Teufel möglicherweise" in eine Liste mit zehn, für ihn wichtigen Filme auf: „Bresson hatte einen riesigen Einfluss auf meine frühe Herangehensweise an Filme. Ich hatte das Gefühl, wenn das Kino die Höhen eines Bresson erreichen konnte, dann würde es sich lohnen, diesem Weg zu folgen und sein Leben dieser Praxis zu widmen. Wie bei all diesen Einflüssen muss man sich irgendwie von ihnen lösen, und sei es nur, um man selbst zu werden. Aber über die Jahre hinweg ist meine Ehrfurcht vor Bressons Werk ungebrochen geblieben. Dieser Film, der sich mit den Siebzigern beschäftigt, einer Zeit, in der ich ein Teenager war, sehr ähnlich der von Antoine Monnier dargestellten Figur, hat für mich immer einen ganz besonderen Platz eingenommen.“
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HINWEIS: Suizidgedanken ähneln einem Teufelskreis, der unausweichlich scheint, sich aber durchbrechen lässt. Häufig sind sie eine Folge psychischer Erkrankungen wie Psychosen, Sucht, Persönlichkeitsstörungen und Depressionen, die mit professioneller Hilfe gelindert und sogar geheilt werden können.
Betroffene finden zum Beispiel Hilfe bei der Telefonseelsorge unter den Telefonnummern 0800-111 0 111 und 0800-111 0 222. Die Berater sind rund um die Uhr erreichbar, jeder Anruf ist anonym, kostenlos und wird weder von der Telefonrechnung noch vom Einzelverbindungsnachweis erfasst. Direkte Anlaufstellen sind zudem Hausärztinnen sowie auf Suizidalität spezialisierte Ambulanzen in psychiatrischen Kliniken, die je nach Bundesland und Region unterschiedlich organisiert sind. Eine Übersicht über eine Vielzahl von Beratungsangeboten für Menschen mit Suizidgedanken gibt es etwa auf der Website der Deutschen Gesellschaft für Suizidprävention.
Verfasserangabe:
Produktion: Stéphane Tchalgadjieff, Daniel Toscan du Plantier; Schauspieler: Tina Irissari, Henri de Maublanc, Antoine Monnier, Régis Hanrion, Laetitia Carcano, Geoffroy Gaussen, Nicolas Deguy, Roger Honorat; Kamera: Pasqualino de Santis; Musik: Philippe Sarde; Sound Design: Jacques Maumont, Georges Prat; Drehbuch: Robert Bresson; Regie: Robert Bresson; Montage: Germaine Artus
Jahr:
2024
Verlag:
Potsdam, filmwerte GmbH
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Irissari, Tina (Schauspieler); de Maublanc, Henri (Schauspieler); Monnier, Antoine (Schauspieler); Hanrion, Régis (Schauspieler); Carcano, Laetitia (Schauspieler); Gaussen, Geoffroy (Schauspieler); Deguy, Nicolas (Schauspieler); Honorat, Roger (Schauspieler); Maumont, Jacques (Tongestalter); Prat, Georges (Tongestalter); Artus, Germaine (Cutter); Tchalgadjieff, Stéphane (Filmproduzent); du Plantier, Daniel Toscan (Filmproduzent); de Santis, Pasqualino (Kameramann(Cinematograph)); Bresson, Robert (Filmregisseur)
Mediengruppe:
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