»Die geheimnisvolle Flamme der Königin Loana« wärmt den weihnachtlichen Büchermarkt. So heißt der neue Roman Umberto Ecos, und wen wundert es, dass der Autor von »Der Name der Rose« oder »Baudolino« auch diesmal wieder einen Bestseller geschrieben hat.
Sehr italienisch ist das Buch, und doch grenzüberschreitend, ganz individuell und doch universell, die Erinnerung eines besonderen Einzelnen, in der sich aber die Erlebnisse, Träume, Sehnsüchte und Gedanken vieler wiederfinden.
Eco bietet gewissermaßen das Echo des 20. Jahrhunderts, erinnert sich für eine ganze Generation. Als Medium dient ihm ein Mann in den Sechzigern, der nach einem Unfall aus dem Koma erwacht und sein Gedächtnis verloren hat. Frau, Kinder und Enkel sind ihm fremd, die Vergangenheit ist ein großes schwarzes Loch. Begriffe kommen ihm wie von selbst in den Mund, Handgriffe gelingen automatisch, gewisse Namen und Empfindungen berühren ihn ganz besonders - aber er weiß nicht, warum.
Der Mann, ein Antiquar, besorgt sich ein »Gedächtnis aus Papier«: Es gibt genug alte Bücher, Groschenhefte und Schulaufsätze, Zeitungen, Schallplatten, Andenken aller Art, die nach und nach den Schleier des Vergessens fortziehen. Nicht jeder bekommt gottlob die Gelegenheit, auf diese Weise das eigene Leben zu rekonstruieren und sich nebenbei klar darüber zu werden, warum es in diesen und nicht in jenen Bahnen verlaufen ist. Aber jeder hat wohl schon mal auf dem Dachboden oder in der Rumpelkammer in altem Kram gewühlt und sich zurückversetzt gefühlt in eine vergangene Zeit.
Eine eigentlich »saublöde Geschichte«, nämlich »La misteriosa fiamma della regina Loana«, lässt in Ecos Krankem die Flamme des Erlebens und Erlebthabens besonders hoch lodern und gibt dem Roman auch den Titel. Es ist die Geschichte einer geheimnisvollen Königin, die wiederum eine supergeheimnisvolle Flamme hütet, »die ein langes Leben schenkt, vielleicht sogar Unsterblichkeit«.
So wunderschön poetisch, so bis an den Rand gefüllt mit Zitaten aus Romanen, Gedichten, Theaterstücken, mit Bildchen und Heftchen von Micky Maus bis Flash Gordon, ist nicht jedermanns Kelch der Erinnerungen. Und derart fantasievoll kann nur ein Meister der Sprache, Zeichen und Töne damit umgehen, wie es Eco, der Bologneser Professor der Semiotik, einer ist. Doch in den Erinnerungen des italienischen Patienten findet jeder etwas wieder, was den Nebel des Vergessens zerreißt, was ihn träumen, bedauern und vielleicht auch dankbar sein lässt.
Quelle: ©dpa (24.12.2004)
Verfasserangabe:
Umberto Eco
Jahr:
2004
Verlag:
München ; Wien , Carl Hanser Verl.
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Systematik:
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R 11
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ISBN:
3-446-20527-6
Beschreibung:
504 S.
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Fußnote:
Aus d. Ital. übers.
Mediengruppe:
Belletristik